Ein Feldsaum mit Bäumen für mehr Artenvielfalt: Solche Kulturlandschaften will das Renaturierungsgesetz fördern.
Florian Voggened

Nach den turbulenten Debatten über die Verordnung wurde sie schließlich zum Wort des Jahres 2024 gekürt: die Renaturierung. Für die einen ist sie der einzige Weg, um Ökosysteme und Lebensgrundlagen in Europa zu bewahren, für die anderen ein Affront gegen die Landwirtschaft. Die Verordnung geriet im vergangenen Jahr zwischen verhärtete Fronten. Schließlich einigten sich die EU-Staaten aber doch – bis 2030 sollen 20 Prozent der Land- und Meeresflächen in einen ökologisch besseren Zustand versetzt werden. Bis September 2026 müssen alle nationalen Regierungen Pläne in Brüssel abliefern, wie sie das Ziel erreichen wollen.



Eine neue Studie attestiert nun, dass der Spagat zwischen Naturschutz und Bewirtschaftung durchaus gelingen kann. Eine Forschungsgruppe des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg hat berechnet, wie der Naturschutz und die Landnutzung so aufeinander abgestimmt werden können, dass sowohl Artenvielfalt und Klimaschutz profitieren – als auch der Bedarf an land- und forstwirtschaftlicher Produktion dennoch gedeckt werden kann. „Mit sorgfältiger Planung kann die Renaturierung tatsächlich zu einer Win-win-Situation für Biodiversität und nachhaltige Produktion führen“, sagt Studienautorin Melissa Chapman, angehende Dozentin an der ETH Zürich.



Das gelinge laut den Modellen, indem die Landnutzung in einigen Regionen so weit intensiviert wird, dass andere Flächen mit sensibleren Ökosystemen freigespielt werden können. „Es gibt Regionen, in denen die Landwirtschaft weiter intensiviert werden kann, ohne dass wir viele Arten verlieren“, erklärt Co-Autor Piero Visconti vom IIASA. „Dafür müssen andere Regionen stärker geschützt werden.“



Das heiße jedoch nicht, dass diese geschützten Flächen dann gar nicht mehr genutzt werden dürfen, unterstreicht Visconti. Rund 15 Prozent von den insgesamt 20 Prozent der Fläche, die in einen ökologisch besseren Zustand versetzt werden sollen, könnten laut EU-Kommission rein durch eine schonendere Bewirtschaftung erreicht werden. In der Forstwirtschaft kann das etwa bedeuten, dass statt einer Fichtenmonokultur ein naturnaher Mischwald bewirtschaftet wird.



Einseitige Planung

Die Forschenden werteten aus, in welchen Regionen der Naturschutz besonders wichtig ist, um sowohl Arten zu erhalten als auch um die Bestäubung, die Wasserreinigung und die CO2-Speicherung zu sichern. Sie fanden, dass es mit dem Renaturierungsgesetz gelingen kann, die Habitate bedrohter Arten wiederherzustellen und gleichzeitig zwischen sechs und 19 Prozent mehr CO2 in der Vegetation und im Boden zu speichern. „Unsere Rechnungen zeigen, dass die EU die prognostizierte Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln, Biokraftstoffen und Holz trotzdem problemlos decken kann“, so Visconti. Das gelte umso mehr deshalb, weil die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Europa nach 2040 laut Prognosen leicht abnehmen werde, sagt Visconti weiter. Gründe dafür seien, dass dann weniger Lebensmittel weggeschmissen würden und die Produktion entlang der Lieferketten effizienter werde. Damit würden Nutzungskonflikte abnehmen.



Neu an der Studie sei vor allem ihr Zugang zum Naturschutz, meint Visconti. Er vergleicht den Ansatz mit der Errichtung von Meeresschutzgebieten. In den Meeren sei es längst üblich, gleichzeitig zu planen, wo intensiv gefischt werden darf und wo Schutzgebiete eingerichtet werden – an Land werde diese Diskussion meist viel zu einseitig geführt. „Sowohl die Land- und Forstwirtschaft als auch der Erhalt der Biodiversität sind wichtige Ziele. Wir müssen beides zusammen ermöglichen“, sagt Visconti.



Arbeitsgruppen tarieren Interessen aus

In Österreich läuft derzeit langsam die Debatte über den nationalen Plan für die Umsetzung der Verordnung an. Federführend ist das Landwirtschaftsministerium, das mit der schwarz-rot-pinken Regierung die Umweltagenden übernommen hat. Dieses hat nun Arbeitsgruppen mit Fachleuten aus unterschiedlichsten Interessengruppen eingerichtet, die die Standpunkte austarieren sollen.



Der Zeitplan sei knapp, heißt es seitens des Ministeriums von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), der sich zuvor gegen die Verordnung ausgesprochen hatte. Es brauche eine breite Akzeptanz, vor allem auch von Grundeigentümerinnen und Bewirtschaftern. Auch müsse ein „realistisches Ambitionsniveau“ gefunden werden, das sich finanzieren lasse. Das Ziel sei ein „breit getragener, umsetzbarer“ Wiederherstellungsplan. Dazu ortet das Ministerium viel Vorerfahrung in Österreich, etwa mit Förderungen für den Biolandbau, den Waldumbau oder die Gewässerökologie. (Alicia Prager, 28.4.2025)