Michael Dohr meint, dass die Strategie der Wiener SPÖ, keine Angriffsfläche zu bieten, voll aufgegangen sei.
Die Gemeinderatswahl in Wien war ein Lehrbuchbeispiel der in der Politikwissenschaft als asymmetrische Demobilisierung bezeichneten Wahlkampfstrategie, die umgangssprachlich auchals Schlafwagen-Taktik bezeichnet wird.
Im Wesentlichen geht es darum, dass man als Amtsverteidiger keine kontroversiellenPositionen einnimmt um dem Gegner so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten, damit dessen potenzielle Wähler wenig Anreiz haben zur Wahl zu gehen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Themen der Opposition zu eigen zu machen, doch in Wien bedurfte es nicht einmal dessen.
Diese Strategie ist beim Hauptgegner der FPÖ voll aufgegangen. Mit dem schalen Beigeschmack,einer Wahlbeteiligung von rund 60 Prozent, die für eine lebendige Demokratie nicht eine Referenz sein soll.
Politik lebt vom Ideenwettbewerb, der in der stärksten Form zu Polarisierungen führt. Alles das ist in Wien auf der Strecke geblieben, weshalb man den Eindruck hatte, den Wahlkampf erkennt man nuran den Dreiecksständern.
Die SPÖ Wien hat es geschafft aus der politischen Not eine Tugend zu machen. Geplant war einen Wahlkampf gegen eine FPÖ/Kickl geführte Bundesregierung zu führen, daher die Vorverlegung. Nachdem dieses Feindbild abhanden gekommen war, musste eben eine neue Variante gefunden werden. Dabei half der SPÖ gewiss auch das Verhalten der übrigen Parteien, die es sich mit der SPÖ nicht verscherzen wollten und daher überhaupt keine wahrnehmbaren Gegenpositionen einnahmen, sowie der Umstand, dass die einschneidenden und für jedermann zu spürenden Maßnahmen erst kommen werden.
Demokratie als Schlafmittel verstanden kann zwar effizient sein, sollte aber nur in moderaten Dosen verabreicht werden und keinesfalls, wie in Wien, in einer Überdosis, denn die ist bekanntlich unverträglich.Michael Dohr
ist Rechtsanwalt und Politologe in Wiener Neustadt.
Politik lebt vom Wettbewerb der Ideen,der in der stärksten Form zu Polari-sierungen führt.
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