Während der Pandemie wurde Pflegern und Co applaudiert – doch der Druck im Job ist nicht weniger geworden und die Anerkennung nicht gestiegen, wie eine Erhebung zeigt
Wien – Ärzte, Pfleger, U-Bahn-Fahrer, Pädagogen, Verkäufer – sie alle wurden in der Corona-Pandemie von den Balkonen aus beklatscht, weil sie es waren, die das öffentliche Leben trotz Lockdowns aufrechterhalten haben. Weil sie es waren, die trotzdem alles geben mussten, während andere zu Hause eingesperrt waren.
Vieles wurde diesen Menschen damals versprochen, die in den „systemrelevanten“ Jobs aktiv waren: mehr Geld, mehr Ansehen. Auf ihre Corona-Prämie mussten viele aber damals bereits lange warten. Doch wie sieht es jetzt aus, nachdem die Pandemie vorbei ist? Das hat sich die Arbeiterkammer in dem Bericht „Funktionieren, damit alles funktioniert“ genauer angesehen.
Leere Versprechungen
Die nüchterne Bilanz: Statt der versprochenen Anerkennung arbeiten die Menschen in systemrelevanten Berufen ungebrochen im Ausnahmezustand. Die Arbeitsbedingungen haben sich während der Pandemie teils verschlechtert und blieben schlecht, anstatt dass es Verbesserungen gegeben hätte. Bereits 2020 hatte die AK einen Blick auf die Menschen in systemrelevanten Jobs geworfen – und schon damals erfuhren viele Arbeitnehmer nicht den Respekt, den sie aufgrund ihrer Arbeit verdienten.
Rund 1,4 Millionen Menschen arbeiten in diesen Berufen. Im Schnitt haben 22 Prozent von ihnen eine ausländische Staatsbürgerschaft und 31 Prozent einen Migrationshintergrund. Fast zwei Drittel der systemrelevanten Arbeitnehmer sind Frauen. Die Wertschätzung, die ihnen durch Medien und Politik zuteil wurde, erlebten diese eher als „Marketinggag“, ihre „Systemrelevanz“ als „Zwangsverpflichtung“.
Das zeigen Interviews, die die Studienautoren durchgeführt haben. So sagt ein Rettungsfahrer auf die Frage, wie er die höhere Wertschätzung für systemrelevante Arbeitnehmer während der Pandemie wahrgenommen habe: „Ich hab’s nur wahrgenommen, weil es ständig in den Medien wiederholt worden ist.“ Eine Pflegerin berichtet: „Bei uns war das eher ein ‚Wenn du nicht kommst, dann kommst du gar nicht mehr‘.“ Ein Essenslieferant erzählt: „Bei uns sind zwei ausgefallen, krank, die wurden gekündigt.“ Ein Briefträger fasst es so zusammen: „Man muss funktionieren, damit alles andere funktionieren kann.“
Jederzeit abrufbar
Während überlange Arbeitszeiten in der Corona-Krise und darüber hinaus deutlich zurückgingen, trifft das auf systemrelevante Arbeitnehmer nicht zu. Ihre Arbeitszeit stieg im Lockdown um durchschnittlich sechs Stunden an, in Extremfällen sogar um bis zu 21 Stunden. Problematisch ist, dass parallel die Planbarkeit extrem stark abgenommen hat – das hat sich auch nach der Krise nicht gebessert. So erhöhte sich der Anteil an systemrelevanten Arbeitnehmern mit unregelmäßigen Arbeitszeiten oder auf Abruf während der Pandemie von 15 auf 24 Prozent. Seither ist er aber kaum gesunken und liegt weiterhin auf hohen 22 Prozent.
Der Applaus wurde nicht in Geld übersetzt. Der mittlere Monatslohn der systemrelevanten Arbeitnehmer lag 2022 bei 2850 Euro brutto – das ist um rund 400 Euro niedriger als in anderen Berufsgruppen. Zudem ergeben sich große Unterschiede je nach Geschlecht, Klasse bzw. sozialer Stellung. Der hohe Teilzeitanteil in diesen Berufen erklärt die niedrigeren Einkommen nicht zur Gänze. Es gilt: je höher der Frauenanteil, desto niedriger der Stundenlohn.
Die AK fordert daher eine gerechtere Bezahlung dieser Jobs. Der Mehrarbeitszuschlag müsse gleich hoch sein wie die Überstundenzuschläge und ab der ersten Stunde gelten. Vollzeitstellen sollten zudem erst Teilzeitkräften im Betrieb angeboten werden, bevor sie extern ausgeschrieben werden. Der Druck in diesen Berufen gehöre reduziert, die Arbeit besser verteilt. Denn rund 288.000 Mitarbeiter in diesen Berufen gehen in fünf bis zehn Jahre in Pension. (Bettina Pfluger, 28.4.2025)
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